NICHTS ALS DIE WAHRHEIT |
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![]() 123 Min. | 630339 DE | nicht mehr im Handel |
Originaltitel: | Nichts als die Wahrheit | ![]() |
Regie: | Roland Suso Richter | |
Musik: | Harald Kloser | |
Darsteller: | Kai Wiesinger, Götz George, Karoline Eichhorn, Doris Schade, Peter Roggisch, Bastian Trost | |
Deutschland 1999 |
Seit Jahren arbeitet der Rechtsanwalt Peter Rohm an einem Buch über den KZ-Arzt Josef Mengele, einem der berüchtigtsten Nazi-Verbrecher. Durch seine Recherchen ist Rohm als Mengele-Experte bekannt geworden. Kurz nachdem ihm eine SS-Uniform zugespielt wird, welche er anhand der Registrierungsnummer als jene Mengeles identifiziert, wird Rohm nach Argentinien entführt. Dort empfängt ihn ein alter Mann, der behauptet, Josef Mengele zu sein. Er will nach Deutschland zurückkehren und sich stellen. Und Rohm soll sein Strafverteidiger sein.
Rohm hält das Ganze zunächst für einen überaus geschmacklosen Schwindel. Doch Untersuchungen mit modernsten technischen Mitteln führen zur Bestätigung, daß es sich bei dem alten Mann tatsächlich um Mengele handelt. Mit Abscheu akzeptiert Rohm das ihm angetragene Mandat. Zum einen muß im Rechtssystem jedem Angeklagten ein Anwalt zugestanden werden; zum anderen reizt Rohm die einmalige Chance, von Mengele persönlich Antworten auf Fragen zu bekommen, die eigentlich unbeantwortbar sind. Er wird über diesen Mann mehr erfahren, als er sich je erträumt hätte. Aber es hat seinen Preis. Rohm gerät ins Schußfeld der Presse, weil er das "Monster" verteidigt. Seine Frau muß untertauchen, um sich vor Attacken wütender Nazigegner zu schützen.
Unter großem öffentlichem Aufsehen beginnt der Schauprozeß gegen den ehemaligen KZ-Arzt. Mengele wird nachgesagt, im KZ Auschwitz grausame medizinische Experimente an lebenden Menschen gemacht zu haben. Mengele gibt sich keiner Schuld bewußt. Er bestreitet nichts von dem, was ihm vorgeworfen wird, denn aus seiner Sicht war das alles die ganz übliche Praxis in der medizinischen Forschung. Das freimütige Geständnis der in Auschwitz begangenen Massenmorde euphorisiert die deutsche Justiz, die damit diese Wahrheit zementieren will, und es brüskiert jene Nazi-Kreise, die Mengeles Prozeß eingefädelt hatten.
Dann bringt Mengele seinen Wahlverteidiger mit gezielten Hinweisen auch noch auf die Spur zur Nazi-Vergangenheit seiner eigenen Familie. Rohm kann aus dem Fall nicht mehr aussteigen, hängt er doch indirekt selbst mit drin...
Das Kino hat seine eigenen imaginären Helden und Monster. Neben der Leinwand gibt es noch eine wirkliche Welt mit wirklichen Monstern. So ein real existierendes Monster als Protagonisten für eine in Teilen erfundene Geschichte herzunehmen, ergibt einen besonders perfiden Horror. Es überrascht nicht, daß das Drehbuch für diesen Gerichtsthriller aus den USA stammt. Im komplexbeladenen Deutschland hätte sich niemand getraut, zum Zweck der Unterhaltung einen authentischen Nazi-Verbrecher zu einer fiktiven Figur mit derart provozierendem Charakter umzumünzen. Roland Suso Richter und sein Team wagten es auf eigenes Risiko. Das deutsche Staatsfernsehen, das sonst jeden Mist produziert oder mitfinanziert, lehnte eine Beteiligung ab.
Unter der gruseligen Maske des Unbeschreiblichen steckt Götz George. Der fahlgesichtige alte Mann wirkt eher wie ein Gespenst. Das Dämonische ist sehr durchdringend.
Etwas zu auffällig wird Mengele als eine Art Hannibal Lecter inszeniert. Im Gerichtssaal sitzt er in einem Glaskasten, als wäre er ein unberechenbares Raubtier. In der Untersuchungshaft logiert er mit dem Komfort einer Hotelsuite. Seine dezidierten Aussagen vor Gericht geben ihm den Anschein einer manipulativen Intelligenzbestie, die den Prozeßverlauf minutiös plant und steuert. Dieser ganz und gar erfundene Mengele entfernt sich von seiner historischen Vorlage, um sich zum Objekt für einen Diskurs über die Paradoxie der Rechtsprechung zu machen.
Verteidiger Peter Rohm sitzt alsbald in der Falle. Er ist gezwungen, zugunsten seines Mandanten dessen Greueltaten so darzustellen, daß ihnen positive Aspekte abgewonnen werden können. Mengele erklärt, er habe die Menschen getötet, um ihnen noch mehr Leid zu ersparen. Er pervertiert seine Massenmorde zu Erlösungstaten. Diese Verteidigungsargumente sind trotz ihres unfaßbaren Zynismus schwer widerlegbar, sie offenbaren die logische Unzulänglichkeit der Juristerei an einer besonders schmerzhaften Stelle.
"Ich habe getötet - zum Wohle der Menschheit", spricht Mengele mit inbrünstiger Überzeugung. Im Dienste der Wissenschaft habe er im KZ mit kleinen Kindern nur das getan, was man heute im Labor mit Mäusen macht. Das Scheusal Mengele genießt den Triumph, das Gericht, die Opfer und die ganze Welt durch seinen verbalen Auftritt vorzuführen, bevor er mit unerschütterlicher Selbstzufriedenheit für immer die Augen schließt. Irgendwie genial!
(Pino DiNocchio)
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![]() | 630339 DE - mit Wendecover - | ![]() |
Tonspur: | Deutsch | ||
Untertitel: | keine | ||
Länge: | 123 Min. | ||
Bild: | 16:9 Widescreen 1:2.35 | ||
Extras: | Wendecover, Audiokommentar mit Roland Suso Richter |
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