RONJA RÄUBERTOCHTER (TV 2024) |
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![]() 270 Min. | 670009 EU | noch nicht erschienen |
Originaltitel: | Ronja Rövardotter | ![]() |
Regie: | Lisa James Larsson | |
Musik: | ||
Darsteller: | Kerstin Linden, Jack Bergenholtz Henriksson, Christopher Wagelin, Krista Kosonen, Johan Ulveson, Sverrir Gudnason, Maria Nohra | |
Schweden 2024 |
Filme halten stets fest, was zu ihrer Entstehungszeit gerade Sitte und Geschmack der Herrschenden ist. Sie konservieren historische Ansichten und halten sie für Menschen in späteren Zeiten bereit. Ein jeder kann, sofern er Zugang hat, selbst aussuchen, welche Darstellung ihm am besten gefällt.
In der rustikalen Erstverfilmung von Astrid Lindgrens Buch "Ronja Räubertochter" aus dem Jahr 1984 konnten die Kinder noch gänzlich nackt im Fluß baden. Bei der 40 Jahre danach unter Beteiligung des deutschen Staatsfernsehens in Schweden produzierten und vorab von einem US-amerikanischen Streaming-Anbieter aufgekauften Miniserie geht es deutlich zugeknöpfter zu. Hier dürfen die Kinder nur bekleidet ins Wasser, und es ist überhaupt eine Menge aus der literarischen Vorlage ins Gegenteil verdreht.
Diese Ronja sieht fast aus wie der Birk aus der Originalfassung. Als vermeintlichen Ausdruck ihrer jungenhaften Art hat man ihr statt der langen Haare einen abgeschnittenen Lockenkopf verpaßt. Tatsächlich hatte die Autorin selbst bei der Illustration ihres Buchs damals den Lockenkopf bevorzugt. Irritierend wirkt es dennoch. Sauber aus der Maske, mit frisch aufgetragenem rosa Lippenstift, erscheint die Räubertochter vor der Kamera. Dabei erfüllt die Ronja im Original vom Charakter her weder weibliche, noch männliche Klischeevorstellungen. Sie ist ein Wildfang, zweifellos ein Mädchen, aber um eine Geschlechteridentität schert sich Lindgrens Heldin ursprünglich nicht.
Birks Frisur mit akkurat geschnittenem Pony hat die Andeutung einer ausgefransten Vokuhila. Wie kann man den armen Jungen nur so lächerlich machen? Die Kids sind in der Serie etwas älter als im Buch, schon eher Teenager. Das erlaubt ein bißchen mehr emotionale Zuneigung zwischen Junge und Mädchen. Das von Ronja und Birk selbst definierte Bruder-Schwester Verhältnis tendiert unterschwellig zu zarten Liebesgefühlen. Das ist beim Alter der Darsteller glaubhaft und wirkt sympathisch. Das kann man gerne so machen.
Weniger authentisch wirkt es, daß die Räuberkinder statt abgerissener Fetzen schicke Kostüme aus der Schneiderei tragen - und stets feste Schuhe an den Füßen haben. Barfußlaufen war gestern.
Birks Screentime ist lange knapp gehalten, denn viel Gewicht liegt auf Ronjas Beziehung zu ihren Eltern. Die Liebe zum Vater kollidiert mit dem Zweifel an der moralischen Richtigkeit von dessen Beruf. Dieser innere Konflikt nimmt viel Raum ein. Ausführlich beleuchtet wird auch das Verhältnis von Ronja zu ihrer Mutter sowie das von Birk zu seinem Vater. Daraus erwachsen wichtige Erkenntnisse für die Selbstfindung der beiden Kinder. Es erklärt, weshalb sie zu ihren Vätern auf Distanz gehen. Am Rande erfahren wir auch die tragische Vorgeschichte: Wie schon die Räuberhauptmänner Mattis und Borka als Kinder eine verbotene Freundschaft pflegten und daran scheiterten, die alte Familienfehde zu überwinden.
Bessere technische Möglichkeiten liefern bei der filmischen Umsetzung 2024 bessere Bilder als 40 Jahre zuvor. Viele Kulissen in der Totalen sind opulenter und detailreicher. Die Fabelgeschöpfe, besonders die bösartigen Vogelwesen, werden dank moderner Visual Effects zu gewaltigen Monstern. Natur- und Tieraufnahmen sowie die auch hier von skandinavischer Folklore inspirierte Musik erzeugen genau die Atmosphäre, die man im mittelalterlichen Räuberwald erwartet. Leider konnten es die Filmemacher nicht lassen, mit einem völlig unnötigen Fauxpas die schöne Stimmung zu stören: Sie schleusten Schwarzafrikaner in die Räuberbande ein! Wie bitte sollen die in der hier dargestellten historischen Epoche des Spätmittelalters in schwedischen Wäldern gelebt haben?
Bei über 4 Stunden Spieldauer muß man die Handlung natürlich aufblasen und ausschmücken. So gibt es als Nebenschauplatz ein Dorf, das von einer Frau regiert wird. Diese engagiert zwei amazonenhafte Kriegerinnen, um die lästigen Räuber zu fangen, die ständig im Wald die fahrenden Händler ausrauben und dadurch die Versorgung der Dorfbewohner mit Lebensmitteln gefährden. Diese Söldnerinnen sind Schwestern, die mit den Mattis-Räubern noch eine alte Rechnung zu begleichen haben.
In Skandinavien dauert der Winter länger als der Sommer, analog hält sich diese Inszenierung sehr lange mit der Überwinterung auf. Die Begegnungen von Ronja und Birk im geheimen Gewölbegang unter der eingeschneiten Burg sind sehr ausgedehnt. Als es Frühling wird, endet der Film und läßt den Zuschauer mit der verdrehten Geschichte ratlos zurück. Der Sommer, den Ronja mit ihrem Freund Birk zusammen in der Höhle im Wald verbringt, findet erst in der 2. Staffel statt, auf deren Ausstrahlung der verschaukelte Filmegucker - zum Donnergrummel - wahrscheinlich noch 1 Jahr warten muß.
(Pino DiNocchio)
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![]() | 670009 EU |
Tonspur: | Deutsch / Schwedisch | |
Untertitel: | D | |
Länge: | 270 Min. | |
Bild: | 16:9 Widescreen 1:1.85 | |
Extras: |
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