DAS GROSSE HEFT

  • Film DVD
  • deutsch + ungarisch
    109 Min.
    677011 DE

    Originaltitel: A nagy füzet
    Filmlänge: DVD 102 Min. ohne Abspann
    Regie: János Szász
    Musik:  
    Darsteller: András Gyémánt, László Gyémánt, Piroska Molnár, Ulrich Thomsen, Gyöngyvér Bognár, Ulrich Matthes, Orsolya Tóth, Diána Kiss, Péter Andorai
    Ungarn / Österreich / Frankreich 2013

    DAS GROSSE HEFT - A nagy füzet

    Während des Kriegs werden die dreizehnjährigen Zwillingsbrüder zu ihrer Großmutter aufs Land gebracht, obwohl sie diese Frau noch nie gesehen haben. Das grantige alte Weib will nichts von den Kindern ihrer verstoßenen Tochter wissen, wie sie überhaupt auch mit den Leuten im Dorf nichts zu schaffen hat. Als Hexe wird sie beschimpft, und entsprechend werden ihre Enkel ebenso angefeindet. Nur das räuberische Nachbarmädchen mit der Hasenscharte, das sich und ihre Mutter mit Klauen und sexuellen Gefälligkeiten ernährt, freundet sich mit den Brüdern an. Hasenscharte weiht die Neulinge in die dunklen Geheimnisse mancher Dorfbewohner ein.
    Ein deutscher Nazi-Offizier quartiert sich in einem Nebengebäude des Hofs ein. Er ist Kommandant des umzäunten, streng bewachten Lagers, das auf der anderen Seite des Waldes liegt. Er macht sich zum väterlichen Beschützer der hübschen Jungs.
    Die Jungen müssen auf dem Hof der Großmutter viel arbeiten. Trotzdem läßt die versoffene Alte die beiden hungern, schlägt sie, pöbelt sie an. Sie ruft sie immer nur "Hundesöhne". Die Jungen beschließen, ihre Körper durch Training gegen Schmerz und Entbehrung abzuhärten, damit sie die Zeit der Qual überstehen. So versetzen sie sich in die Lage, die zahllosen Prügel wegzustecken. Sodann gewöhnen sie sich die Hemmung vor dem Töten ab - erst mit Kleingetier, dann mit größeren Tieren, bis alle Skrupel gefallen sind.
    Eine Bibel und ein Lexikon sind die einzigen Bücher, aus denen die Zwillinge brav ihren Wissensschatz nähren. Alles Erlebte schreiben die Brüder wahrheitsgemäß täglich in einem Heft nieder, so wie ihr Vater es ihnen aufgetragen hatte, bevor er zur Armee eingezogen wurde, damit er nach seiner Rückkehr aus dem Krieg nachlesen kann, wie es seinen Söhnen ergangen ist.
    Als die Mutter ihre Söhne nach einigen Monaten wieder abholen will, weigern diese sich mitzukommen, was eine Tragödie zur Folge hat. Der Tod umringt die Zwillinge. Durch ihre erworbene Gefühlskälte machen sie sich zu dessen nüchternem Sachverwalter. Als bei Kriegsende ihr Vater aufkreuzt, kann es für die Jungen nur eine Konsequenz geben...

    Verloren, verlassen, verachtet - die zwei Brüder haben in der ausweglosen Lage nur sich. Noch unzertrennlicher als je zuvor trotzen sie den widrigen Umständen. Ihrer Ohnmacht begegnen die Zwillinge, indem sie sich das Abhärtungstraining auferlegen, sich dadurch betäuben, den Schmerz töten. Körperlich und seelisch machen sie sich unempfindlich gegen jede Verletzung. Morbide Fantasien fallen auf fruchtbaren Boden.
    Nur wenige Freunde haben die zwei Jungen in dem Ort. Als einem davon böses Unrecht angetan wird, entfesseln die Jungen ihre eigene Gerechtigkeit. Ihre Moralvorstellung ist ein bizarres Gemisch aus den angelesenen Bibelinhalten, Nachgeahmtem aus dem Verhalten der Erwachsenen in einer gewalttätigen Welt, die jede Moral eingebüßt hat, und aus eigener kindlicher Logik. Die Jungs machen Erfahrungen mit dem Leben, mit dem Tod, mit Sexualität, mit Loyalität. Sie mutieren zu kleinen Monstern, doch sind sie am Ende nicht weniger monströs als die Menschen um sie herum. Diese Kinder verinnerlichen die Scheinheiligkeit einer verrotteten Gesellschaft. Sie geben ein erschütterndes Abbild des Zerfalls von Menschlichkeit.
    Zwillinge sind stets ein Faszinosum. Das magische Band, welches die Zwei zu einer Einheit macht, artikuliert sich in ihrem gleichsam roboterhaft wirkenden, wortkargen Tun. Die Zwillinge András Gyémánt und László Gyémánt sind Bauernburschen aus einer ländlichen Gegend Ungarns. Die überaus naturtalentierten Jungen leben die beängstigenden Figuren aus der Romanvorlage vor der Kamera mit solcher Konzentration, daß der Zuschauer sich dem Bann nicht entziehen kann.
    Die formale Umsetzung trägt dem Umstand Rechnung, daß kein Kind oder Heranwachsender solche verstörenden Rollen expressiv spielen kann. Die Szenen sind häufig mimisch angelegt. Die Jungen werden aus der Distanz beobachtet, oder sie werden zum Bestandteil nahezu bewegungsloser räumlicher Arrangements. Es gibt nur wenige Momente direkter Interaktion mit anderen Personen und auch nur wenige Dialoge. Der meiste Text der Handlung wird als Erzählstimme von den Jungen über die Bilder gesprochen.
    Der ungarische Regisseur János Szász hatte in seinem Film "Die Witman Brüder" 1997 schon einmal das moralische Abgleiten zweier vernachlässigter Jungen thematisiert. Die Literaturverfilmung von "Das große Heft" beschreibt einen ähnlichen Gang in die Abgründe des emotionalen Verlustes. An diesem intensiven Filmwerk gibt es nur einen Kritikpunkt: Die im Roman erzählten sexuellen Übergriffe des deutschen Offiziers auf die Jungen wollte der Regisseur nicht zeigen, er deutet sie nur zaghaft an. Insofern bleibt die Herleitung der Persönlichkeitsentwicklung der Zwillinge unvollständig. Dennoch ist die aus dem Buch in die letzten Monate des 2. Weltkriegs verlegte Erzählung ein knisternd schauriges Filmerlebnis, weil ganz und gar die unheimlichen Zwillinge mit ihrem grenzüberschreitenden Verhalten im Zentrum stehen. (Pino DiNocchio)



    677011 DE
    Tonspur: Deutsch / Ungarisch
    Untertitel: D, E
    Länge: 109 Min.
    Bild: 16:9 Widescreen 1:2.35
    Extras: Making of, Booklet
    - minus - Covermotiv mit Zensurzeichen überdruckt


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