KADDISCH FÜR EINEN FREUND |
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deutsch 94 Min. | 679409 DE | nicht mehr im Handel |
Originaltitel: | Kaddisch für einen Freund | |
Flmlänge: | 91 Min. ohne Abspann | |
Regie: | Leo Khasin | |
Musik: | ||
Darsteller: | Ryszard Ronczewski, Neil Belakhdar, Neil Malik Abdullah, Sanam Afrashteh, Kida Khodr Ramadan, Younes Hussein Ramadan, Cemal Subasi | |
Deutschland 2011 |
Die von den Juden aus Palästina vertriebene und später vor den jüdischen Bombardierungen aus dem Libanon nach Deutschland geflohene Familie Messalam darf endlich von der Asylantenunterkunft in eine richtige Wohnung ziehen. Das neue Zuhause befindet sich in einem Betonwohnblock im arabischen Viertel von Berlin. Gleich beim Einzug macht der 14jährige Ali eine sehr ärgerliche Feststellung: Direkt über ihnen wohnt ein Jude! Der aus der Sowjetunion emigrierte Alexander Zamskoy ist ein alter Mann.
Um sich als Neuling bei den Jugendlichen seiner Landsleute Respekt zu verdienen, bricht Ali in die Wohnung von Zamskoy ein. Entsetzt schaut er zu, wie die neuen Kumpels, angeführt von seinem Cousin Younes, in der Wohnung randalieren. Dummerweise erkennt der überraschend heimkehrende alte Mann den Jungen. Ali bringt seine Familie damit in Schwierigkeiten, denn sie sind als Flüchtlinge in Deutschland nur geduldet. Auch Zamskoy sitzt jetzt in der Tinte. Die Sozialarbeiterin hat endlich einen Grund, den alten Herrn in ein Altersheim zu verfrachten. In der zertrümmerten Bude kann er nicht bleiben.
Alis Mutter möchte den Vorfall vor dem strengen Gatten geheimhalten. Die kluge Frau hat eine Idee. Ali soll den Schaden in Zamskoys Wohnung reparieren, damit dieser die Anzeige zurücknimmt. Widerwillig macht sich der Junge ans Werk, dem borstigen alten Mann bei der Renovierung zu helfen. Die Abneigung ist abgrundtief auf beiden Seiten. Der in einem palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon aufgewachsene Teenager kann es nicht ertragen, sich so für einen Juden nützlich zu machen, ist der doch einer von dem verhaßten Volk, welches der arabischen Bevölkerung in Palästina das Land geraubt hat. Der Alte läßt auch keine Gelegenheit aus, den Jungen mit seinem Judentum zu provozieren. Dabei trifft der jugendliche Heißsporn Ali auf die lebenserfahrene Gelassenheit des Rentners. Zamskoy hat seine Prinzipien. Es läuft so wie er will oder gar nicht; denn er weiß in seiner Weitsicht, daß er am Ende recht hat.
Ali ist ein intelligenter Bursche, ein hervorragender Schüler, der lieber aufs Gymnasium gehen möchte, als seinem Vater als Tagelöhner beim Geldverdienen zu helfen. Er begreift, welche Chance sich ihm bietet, was er von dem weisen alten Mann lernen kann. Bald geht es zwischen Ali und Alexander kaum noch um die Feindschaft zwischen Juden und Arabern. Die Zwei werden Freunde.
Es kann aber nicht ausbleiben, daß Alis Vater von der ungeheuerlichen Sache erfährt, die da hinter seinem Rücken läuft. In der arabischen Familie bricht ein gewaltiges Donnerwetter los. Jetzt ist es Alexander, der seinem jungen Freund Ali aus der Patsche helfen muß, und er ist fest entschlossen, alles zu tun, damit Ali und seine Familie keine Konsequenzen aus der Einbruchrandale zu tragen haben, ...und wenn es das letzte ist, was er tut...
Das ist schon ein kleines Wunder, daß ein deutscher Film die Animosität zwischen Arabern und Juden auf so einer rein zwischenmenschlichen Schiene behandelt.
Der Ursprung des Konflikts liegt im Nahen Osten, wo nach Jahrhunderten des friedlichen Zusammenlebens die Juden Mitte des 20. Jahrhunderts mit ihrer Invasion und Besetzung Palästinas die arabische Bevölkerung aus deren angestammten Land vertrieben haben. Berlin ist davon weit weg, dennoch folgt das in Palästina wütende Unrecht den arabischen Flüchtlingen bis nach Deutschland. Alis Landsleute machen keinen Unterschied zwischen den Zionisten in Palästina und den in Deutschland beheimateten jüdischen Mitbürgern. Obwohl er nichts anderes als diesen politisch-ethnischen Haß kennt, beginnt Ali in Alexander einen Menschen zu sehen.
Maßgeblich für das Gelingen der Annäherung ist Alexanders Bereitschaft, dem Jungen seine Unreife zu vergeben und ihm eine andere Wahrnehmungsperspektive zu gewähren. Als ehemaliger Sportlehrer weiß Alexander um die Geduld, die es kostet, Heranwachsenden etwas beizubringen. Es erwacht in ihm wieder die Leidenschaft, jungen Leuten etwas fürs Leben mitzugeben.
Obwohl der alte Alexander Zamskoy als europäischer Jude wahrlich genug Gewalt erfahren hat, und obwohl er noch heute im von Immigranten dominierten Berlin in permanenter Angst vor Übergriffen lebt, überwindet er den Einbruch in seine Privatsphäre, die Schändung seiner persönlichsten Besitztümer, mit einer relativen Abgeklärtheit. Wahrscheinlich ist es eher eine Verdrängung, ein zum eigenen Schutz nicht Wahrhabenwollen des Geschehenen. Wie sonst könnte er die Größe aufbringen, den Täter erneut hereinzulassen und ihn zu seinem Partner zu machen? Alexander Zamskoy hat in seiner Menschenkenntnis das Gespür, daß Ali eine gute Seele ist. Zugleich spürt er die schicksalhafte Berufung, ein letztes Mal etwas Gutes zu tun.
Der Hauptakteur der Geschichte ist der Teenager Ali, doch der wahre Held ist sein Opfer, der lebenserfahrene alte Mann, der die Würde besitzt, über den flüchtigen Ereignissen eines Tages zu stehen. Am Ende wird mit dem jüdischen Totengebet in Alis Familie ein blindes Vorurteil zu Grabe getragen. Beeindruckend!
(Pino DiNocchio)
679409 DE - mit Wendecover - | |||
Tonspur: | Deutsch | ||
Untertitel: | keine | ||
Länge: | 94 Min. | ||
Bild: | 16:9 Widescreen 1:2.35 | ||
Extras: | Wendecover |