TORE TANZT |
|||
---|---|---|---|
![]() 107 Min. | 697179 DE | nicht mehr im Handel |
Originaltitel: | Tore tanzt | ![]() |
Regie: | Katrin Gebbe | |
Musik: | ||
Darsteller: | Julius Feldmeier, Sascha Alexander Gersak, Annika Kuhl, Swantje Kohlhof, Til-Niklas Theinert, Daniel Michel, Nadine Boske, Christian Bergmann | |
Deutschland 2013 |
Ein Freak ist Tore in jeder Hinsicht, vor allem aber ist der Jugendliche ein Jesus-Freak. Im Kreis seiner Clique steigert sich der blonde Wuschelkopf in einen fanatischen christlichen Glauben hinein, wodurch er sich seiner Verantwortung für sich und sein Leben bequem entziehen kann. Einfach für alles und jedes und den Lauf der Dinge allein dem Gott die Zuständigkeit geben, das entbindet den Menschen vor eigenen Entscheidungen.
Weggelaufen von Zuhause, weggelaufen vor sich selbst, findet der Vagabund Tore durch ein himmlisches Wunder Anschluß an eine Familie von Freaks, die den Sommer über im Schrebergarten wohnt. Schnell gerät der Junge in eine fatale Abhängigkeit von dem väterlichen Kumpelfreund Benno und dessen Lebensgefährtin Astrid mit ihren zwei Kindern. Benno verachtet Tores Religiosität, macht sich insgeheim darüber lustig, daß der Junge in einer regelrecht krankhaft devoten Haltung alles mit sich machen läßt. Nur Astrids Tochter Sanny, über die Benno mit seinen Gelüsten ebenfalls wie Freiwild zu verfügen glaubt, macht sich ernsthaft Sorgen um Tore.
In einer Zeit, wo die Welt mit den gewalttätigen Auswüchsen des islamischen Fundamentalismus zu kämpfen hat, ist man versucht, den Film als Persiflage auf religiösen Wahn und die daraus resultierende Selbstvernichtung zu verstehen. Doch es geht hier nicht um den Heiligen Krieg, sondern um Religion als Rauschgift, welches sein Opfer gnadenlos zerstört.
Tore gibt sich selbst auf, indem er sich gänzlich seinem Gott verschreibt, und der spielt ihm übel mit. In seiner Selbstverleugnung realisiert Tore nicht, wie er sich den zynischen, ausbeuterischen, bösartigen Mißhandlungen durch Benno ausliefert. Allzu leicht lenkt das abartige Verhalten von Benno und seiner Freundin den Zuschauer vom Kern der Aussage ab. "Wo ist dein Gott jetzt?" fragt Benno verächtlich, nachdem er Tore an die Schwelle zum Jenseits geprügelt hat.
Tore steht exemplarisch für die Selbstenthirnung eines religiösen Fanatikers. Seine Identifikation mit der mythologischen Leitfigur "Jesus" führt so weit, daß er die dieser Figur zugeschriebene Unterwürfigkeit imitiert. Die ihm zugefügten Qualen, körperlichen Schmerzen und seelischen Verletzungen nimmt der Junge in seiner geistigen Verblendung als Teil seiner Person an. In Verbindung mit dem suchtartigen Effekt und dem psychischen Abhängigkeitsverhältnis gerät die indifferente Persönlichkeit des Heranwachsenden in eine Falle ohne Ausweg.
Der junge Darsteller Julius Feldmeier ist mit der Titelrolle zu starker Präsenz gefordert. Naivität und Martyrium bilden die Eckpfeiler im Niedergang von Tore. Dazwischen liegen Versuche und Versuchungen am Leben eines normalen Teenagers.
Die Filmautorin liefert keine Erklärung, schon gar keine psychologische Analyse für das, was mit dem fehlgeleiteten Jugendlichen passiert, dessen Vorgeschichte im Dunkeln bleibt. Der Vorgang ist eigentlich offensichtlich, und er muß zwangsläufig zu der Frage führen, ob bei derart schwerwiegenden Folgeerscheinungen Religion nicht als jugendgefährdendes Gedankengut einzustufen ist.
(Pino DiNocchio)
![]() |
![]() | 697179 DE - mit Wendecover - | ![]() |
Tonspur: | Deutsch | ||
Untertitel: | keine | ||
Länge: | 107 Min. | ||
Bild: | 16:9 Widescreen 1:2.35 | ||
Extras: | Wendecover, Audiokommentar, Interviews |
![]() | ![]() |