PIMPFE, PFADFINDER, JUNGVOLK |
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52 Min. | 850429 DE | nicht mehr im Handel | |
52 Min. | 850421 DE | nicht mehr im Handel |
| Originaltitel: | Pimpfe, Pfadfinder, Jungvolk | ![]() |
| Filmlänge: | DVD 43 Min. ohne Abspann | |
| Regie: | ||
| Musik: | ||
| Darsteller: | --- | |
| Deutschland |
"Sehen Sie in einmaligen Bildern die Zeltlager der Pfadfinder, die Veranstaltungen der Jungmännergemeinschaften und Studenten, die Pimpfe und Jungen der Hitlerjugend."
Mit diesen Worten preist der Herausgeber "History Films" die DVD an. Zweifellos sind die hier präsentierten alten Filmaufnahmen von kulturhistorischem Wert, wenngleich sie beileibe nicht die einzigen und auch nicht die qualitatv besten unter den noch existierenden bildhaften Zeitzeugnissen der deutschen Jugendbewegungen aus dem frühen 20. Jahrhundert sind.
Teils amateurhaft gefilmte, dokumentarische, teils auch inszenierte Aufnahmen von den Freizeitbetätigungen deutscher Jungengruppierungen romantisieren Zeltlager und Geländespiele in der Natur. Oftmals erfreuen sich die Jungen in kurzen Hosen und freiem Oberkörper bei Sport und Spiel. Die Bilder und ihre Motive stehen in ihrer eigenen Ästhetik für sich.
Keinesfalls für sich stehen lassen kann man die sachlich grob falschen Aussagen, mit denen der Sprecher die Filmsequenzen kommentiert. Verschiedene Jugendbewegungen und -organisationen werden hier haltlos miteinander verquickt. Die um die Jahrhundertwende entstehenden Wandergruppen werden unsinnigerweise in die Tradition der studentischen Burschenschaften gestellt.
Von den Wandervögeln aus der Kaiserzeit geht die Jugendbewegung in der Suggestion von "History Films" nahtlos in die Pfadfinder über. Zwar knüpften die Pfadfinder bei ihrer Entstehung nach dem 1. Weltkrieg in Deutschland in Teilen an die Wandervogelbewegung an und gingen damit einen eigenen nationalen Weg, jedoch gab es dabei ganz unterschiedliche Strömungen, auf die der Kommentator nicht eingeht.
Stattdessen unterstellt er den Pfadfindern als Ideal "die Verehrung des deutschen Rittertums". Ferner werden ihnen Pflichtgefühl und Kameradschaft zugeschrieben, sowie als Zielsetzung für die teilnehmenden Jungen die Disziplinierung und die Erziehung zur "Mannhaftigkeit". Das hat wohl wenig mit der Idee der ursprünglich von England ausgehenden weltweiten Pfadfinderbewegung zu tun.
Das Filmmaterial begleitet eine Jungenschaft beim großen Abenteuer einer Fahrt zu einem internationalen Sommerlager von Pfadfindern in Norwegen. Auch hier stehen naturnahe Spiele und Gemeinschaftserlebnisse im Fokus. Zuletzt werden die Jungen auf das im Fjord liegende Kriegsschiff "Schlesien" der Reichsmarine eingeladen. Der Weg in den Militarismus ist vorgezeichnet.
Schon in der Einleitung benennt der Sprecher von "History Films" die "Deutsche Freischar" und den "Großdeutschen Bund" als die zwei maßgeblichen Institutionen deutscher Jugendbewegungen, deren Ideal in Schutz und Erhalt der Natur gelegen habe. Solche Irreführung kann nicht unwidersprochen bleiben! Die historischen Fakten sehen anders aus: Die "Deutsche Freischar" ging 1927 aus einem Zusammenschluß mehrerer Pfadfinder-Vereinigungen innerhalb der überwiegend völkisch-nationalistisch gesinnten Bündischen Jugend hervor. Diese repräsentierten in der Weimarer Republik nur einen geringen Prozentsatz der in Vereinen organisierten Jugendlichen. Die zunehmende Orientierung hin zum Nationalsozialismus führte die "Deutsche Freischar" zusammen mit anderen bündischen Pfadfindergruppen 1933 in die Gründung des "Großdeutschen Bunds", welcher noch im selben Jahr in die "Hitlerjugend" integriert wurde, und dessen Überhöhung durch den Sprecher von "History Films" schlicht eine Geschichtsfälschung ist.
Unmerklich und ohne weitere Erläuterung verschleiert bei "History Films" die Pfadfinderromantik die fatalste Zäsur in der deutsche Geschichte: Daß die Demokratie der Weimarer Republik sich mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler selbst abgeschafft hat, ist dem Kommentator keine Silbe wert. Auch daß die von ihm so gefeierten unabhängigen Pfadfinderorganisationen, wenn sie nicht der HJ beitreten wollten, von den Nazis verboten wurden, läßt er unerwähnt.
Der Einschnitt ist an dieser Stelle im Verlauf des Films spürbar, bleibt aber vollkommen unerklärt. Ganz plötzlich singen Kinder im Chor Lobgesänge auf den Führer. Der Dirigent hat eine Armbinde mit Hakenkreuz. Ein kleiner Exkurs zeigt die den jungen Frauen zugedachten Funktionen: sich um kleine Kinder und die Kranken kümmern, die Feldarbeit verrichten - und graziöse Synchron-Gymnastik in der Masse aufführen. Bei den Jungen wird jetzt mit Sturmgepäck und Gewehren durchs Gelände getobt. Noch sind es Übungen, mit denen die Jugendlichen für den Einsatz im Zivilschutz, wie etwa der ländlichen Feuerwehr, vorbereitet werden. Der Begriff "Hitlerjugend" wird übrigens vom Sprecher konsequent gemieden. Überhaupt: Die von einem totalitären Staat organisierte HJ als Jugendbewegung zu bezeichnen und sie in eine Reihe mit Pfadfindern und Wandervögeln zu stellen, das ist eine unerhörte Anmaßung!
Dann ist auf einmal von Krieg die Rede, wo die Jugend in der Landwirtschaft mithilft. Das ist ja ehrenwert. Aber welcher Krieg denn? Kein Wort verliert der Sprecher von "History Films" darüber, was das für ein Krieg sein soll, wer ihn begonnen hat, und wie seine Verursacher millionenfach Tod und Elend über die halbe Welt brachten.
Lieber zeigt man Aufnahmen von strammen jungen Männern bei einem friedlichen, sportlichen Wettrennen in Ruderbooten - wobei es sich bei dem Clip offensichtlich um eine Wochenschau Reportage eines Trainings von angehenden Soldaten der Kriegsmarine handelt. Ach herrjeh, Deutschland wie es einmal war, welch heile Welt - oder dachte da jemand heimlich 'heil Hitler'? Erst ganz zum Schluß meldet sich auf der DVD der Sprecher nochmals zu Wort und erwähnt lapidar, daß in der letzten Kriegsmonaten 13jährige und 14jährige Hitlerjungen als Soldaten an die Front geschickt wurden. Das immerhin entspricht der Wahrheit. Und schließlich endet der Film mit dem Bedauern des Sprechers, daß die Ideale und Werte der deutschen Jugendbewegungen von damals nun heute keine Bedeutung mehr besitzen.
Eine Vertiefung der Historie deutscher Jugendbewegungen in der behandelten Ära ist nicht die Intention des Films und wäre auch in 45 Minuten kaum realisierbar. Aber eine so indifferente Darstellung, wie "History Films" sie hier abliefert, ist regelrechte Volksverdummung. Da wird mit historischen Filmbildern gezielt Schindluder getrieben. Unterlegt sind die Bilder von allerlei völkischer Musik und bei der Episode mit den Pfadfindern in Norwegen sogar vom Gesang eines einschlägigen rechtsextremen Liedermachers der Gegenwart. Dies ist ein ideologisch tendenziöses Werk, welches aus gutem Grund aus dem Handel verschwunden ist. Totschweigen hilft aber nicht. Nur Aufklärung schafft Wachsamkeit. Einzig aus diesem Grund wird die Pseudo-"Dokumentation" hier mit einer kritischen Rezension durchleuchtet.
(Pino DiNocchio)
Geschichtswissenschaftlich fundierte
Informationen zu den deutschen Jugendbewegungen 1918-1945
bietet das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln.
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850429 DE | |
| Tonspur: | Deutsch | |
| Untertitel: | keine | |
| Länge: | 52 Min. | |
| Bild: | 4.3 Vollbild 1:1.33 | |
| Extras: |
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850421 DE - mit Wendecover - | ![]() | |
| Tonspur: | Deutsch | ||
| Untertitel: | keine | ||
| Länge: | 52 Min. | ||
| Bild: | 4.3 Vollbild 1:1.33 | ||
| Extras: | Wendecover |
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