FATELESS |
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deutsch + ungarisch 134 Min. | 653279 DE | nicht mehr im Handel |
Originaltitel: | Sorstalansag | |
Regie: | Lajos Koltai | |
Musik: | Ennio Morricone, Lisa Gerrard | |
Darsteller: | Marcell Nagy, Aron Dimeny, Andras M. Kecskes, Bálint Péntek | |
Ungarn 2004 |
Ungarn 1944. Noch immer sind die jüdischen Bürger in Budapest zuversichtlich, daß der Krieg bald vorbei sein und der Nazi-Terror ein Ende haben wird. Der 14jährige György weiß noch nicht viel vom Leben, und ihm ist nicht so recht bewußt, was es bedeutet ein Jude zu sein. Einen gelben Stern müssen sie jetzt alle auf ihrer Kleidung tragen. Ist das der Unterschied?
Der Vater wird zum Arbeitsdienst abgeholt. Man verdrängt die dunkle Vorahnung. Wenig später wird auch György zusammen mit anderen Kindern zusammengetrieben und deportiert. Der Junge kommt mit einer Gruppe ungarischer Juden in ein Konzentrationslager. Monate in der Hölle zehren in aus. Sein geschundener Körper verläßt ihn langsam, doch sein Verstand bleibt wach. Halbtot erlebt er die Befreiung des Lagers. György kehrt als Fremder nach Budapest zurück. Seine Familie und sein Zuhause gibt es nicht mehr. Sein bisheriges Leben ist erloschen.
Im Hauptteil besteht der Film aus der exzessiven Darstellung der Zeit im KZ. Bis hart an die Grenze des Erträglichen wird die Entmenschlichung gezeigt, die in den Lagern betrieben wird. Schmerzhafte Bilder, die in Worten nicht zu beschreiben sind. Die Gefangenen dämmern und siechen dahin, jeglicher Würde beraubt, sind bald nurmehr ein Haufen biologischer Zellen.
Ganz im Zentrum steht der Hauptcharakter György. Der Zuschauer erlebt das Martyrium des Jungen ganz nah und lückenlos. Der psychologische Prozeß, der sich in György abspielt, wird auf mehreren Ebenen illustriert. Die Empfindungen und Wahrnehmungen, die ihn durchdringen, sind ein Spiegelbild der äußeren Ereignisse. Die langsame Transformation von einem Menschen mit einer Identität zu einem Objekt mit einer Nummer. Die Gefangenen werden entkleidet und ihrer letzten Besitztümer beraubt.
In Sträflingsanzüge gesteckt und aufgereiht, sind sie nur noch Arbeitswerkzeuge, schonungslos angetrieben, bis sie verschlissen sind und ausgewechselt werden. Selbst ihre Körper entschwinden unter der Last. Die Atmosphäre im Lager ist wie lebendig begraben zu sein. Am Ende ist György wie auch seine Mitgefangenen nahezu reduziert auf seine Seele, in fast körperlosem Zustand. Denn seine Seele lebt und zuckt hin und wieder, um ihn vom völligen Entschlafen abzuhalten. Leben kann man es bei diesen Umständen nicht mehr nennen, es ist ein bloßes Dasein, nackte Existenz auf einer fortlaufenden Zeitbahn. Gewißheit und Hoffnung verschwimmen ineinander. Neben der zermürbenden Eintönigkeit flackern nur die Erinnerungen an Zuhause. Sie wissen um die drohenden Gaskammern, aber sie stemmen sich innerlich mit aller Kraft gegen die Wahrheit.
Es sind die intensiven Bilder, die langen, oft wortlosen Szenen aus dem Dasein im Konzentrationslager, die das Unbeschreibliche versuchen darzustellen. Bei dieser Vorgehensweise gelingt es dem Film, eine sehr bewegende Bindung des Zuschauers mit der Hauptfigur György zu schaffen. Das detailliert gezeigte stille Leiden dieses einen Jungen fesselt, lähmt, erstickt den Zuschauer. Wer starke Nerven hat, dem sei dieses aufwühlende Drama unbedingt empfohlen. Musikalisch begleitet Ennio Morricone die Produktion. Schauspielerisch besticht der junge Hauptdarsteller Marcell Nagy, indem er sehr glaubhaft mit seiner Rolle verschmilzt. Sein Gesicht ist das Gesicht des Films, das sich symbolhaft einprägt.
Den positiven Eindrücken aus dem filmisch sehr gelungenen Werk steht leider auch Kritik an der Art der historischen Behandlung gegenüber. Ein wirklicher Bezug zu Ungarn und zur spezifischen Geschichte der Budapester Juden ist hier nicht erkennbar. Der Protagonist ist einer von Millionen Opfern, die dasselbe Schicksal getroffen hat.
So ist es doch wieder nur das altbekannte Lamento über die Nazi-Verbrechen am Volk der Juden. Andere Aspekte wie etwa die Rolle der ungarischen Kollaborateure während der Nazi-Besatzung sind hier nur Randnotizen. Eine Aufarbeitung der finsteren jüngeren Geschichte Europas kann nicht nur daraus bestehen, daß die Greueltaten der Deutschen vorgeführt werden! Insofern liefert der Film keinen relevanten Beitrag zu seinem historischen Kontext, sondern benutzt die Horror-Kulisse des Konzentrationslagers nur als Rahmen für die Erzählung der erschütternden Geschichte einer Romanfigur. Das ist bedauerlich, es schmälert aber keineswegs die cinematographische Qualität.
(Pino DiNocchio)
653279 DE | ||
Tonspur: | Deutsch / Ungarisch | |
Untertitel: | E | |
Länge: | 134 Min. | |
Bild: | 16:9 Widescreen 1:2.35 | |
Extras: |